Status Quo: Literaturvermittlung/ Leseförderung in Leipzig und Sachsen
Lesen ist eine Schlüsselkompetenz. Es ist die Grundlage für eine erfolgreiche Schullaufbahn und die Teilhabe an der Gesellschaft. Das ist unumstritten. Gut und flüssig lesen lernt man mit Büchern. In ganz Deutschland wurden daher über Jahrzehnte hinweg Strukturen der Kinderliteraturvermittlung und Leseförderung aufgebaut. Die Lösungen sind regional unterschiedlich, ein wichtiger Baustein sind dabei jedoch immer Veranstaltungen. Die Welt der Bücher wird erlebbar und erfahrbar, man kann ihre SchöpferInnen kennenlernen oder sich selbst schreibend, zeichnend und erzählend betätigen. Ein solcher Impuls kann ein Schlüsselerlebnis für Kinder und Jugendliche sein und den Zugang zu dem Medium öffnen oder halten. Die Effektivität der verschiedenen Lesefördermaßnahmen wurde breit beforscht. Es gibt gesicherte Erkenntnisse darüber, was hilft.
Lokale, regionale oder landesweite Lesefestivals können Aufmerksamkeit auf das Medium Buch und die örtliche Bibliothek lenken und auch für Pädagoginnen einen Anlass bieten, das Lesen einmal in den Mittelpunkt zu rücken. Viele andere Städte und Regionen veranstalten deswegen jährliche Kinderbuchtage /Festivals und laden AutorInnen zu Schullesungen oder offenen Veranstaltungen ein. Einladende sind hier entweder die Kulturämter der Städte, Bibliotheken, unabhängige Vereine etc.
Nur einige Beispiele, es gibt zahllose weitere:
Käpt’n Book im Raum Bonn, organisiert vom Kulturamt Bonn 2024: 48 eingeladene Kinder- und JugendbuchautorInnen, mehrere hundert Veranstaltungen an Schulen, Museen und Bibliotheken im Raum Bonn
Göttinger Kinder- und Jugendbuchwochen, organisiert von der Lehrergewerkschaft GEW, 2024 bei über 100 Lesungen insgesamt 5000 Schülerinnen und Schüler erreicht.
Literatur FETZT! , ein eintägiges Festival in Dresden, organisiert von einer Literaturpädagogin. 2024 12 eingeladene KinderbuchautorInnen aus dem deutschsprachigen Raum.
Landesweites Kinderliteraturfestival in Baden-Württemberg: Fredericktag, jeweils mit vielen Veranstaltungen, auch mit eingeladenen AutorInnen.
Ein landesweites Kinderlesefestival gibt es in Sachsen nicht.
Den bundesweiten Vorlesetag im November nehmen sich zwar auch sächsische PädagogInnen zum Anlass, Kinderbuchveranstaltungen zu organisieren. Allerdings sind sie dabei auf sich selbst gestellt. Es gibt in Sachsen keine unterstützende Stelle und keine Möglichkeit, Mittel zu beantragen. So bleibt es hier bei selbst organisierten kleinen Schulfesten und Märchennächten mit ehrenamtlichen VorleserInnen.
Festival Leipzig liest
In Leipzig gibt es im Rahmen der Buchmesse Leipzig liest. Es wird oft als Deutschlands größtes Lesefestival gepriesen. Für Kinder und Jugendliche ist es aus mehreren Gründen aber nur eingeschränkt geeignet: Nur ein kleiner Teil der Lesungen richtet sich an Kinder und Jugendliche. Ein großer Teil davon findet wiederum in den Messehallen statt. Sich mit einer Kindergruppe in eine trubelige Messehalle zu begeben, stellt pädagogisches Personal vor große Herausforderungen. Eine Lesung auf einer quirligen Messebühne bietet für Kinder nicht das gleiche Erlebnis wie eine konzentrierte Veranstaltung in einem geschlossenen Raum. Die Stadt hat keinen Einfluss auf die Auswahl und Qualität der Veranstaltungen. Das Festival ist in erster Linie ein Werbeinstrument der Verlage, um ihre neuen Titel vorzustellen. Die Veranstaltungshonorare für Leipzig liest zahlen die Verlage. Oftmals gibt es auch keins.
Der Lesesommer Sachsen wird jährlich durch den Sächsischen Bibliotheksverband organisiert und hat Festivalcharakter. Es ist eine Art Lesewettbewerb mit Auftakt- und Endveranstaltungen, durchgeführt von den Bibliotheken (aber ohne Autoren). Der Lesesommer ist sehr beliebt. Solche Lesesommer gibt es in fast allen Regionen Deutschlands. Für sächsische Kinder ist er jedoch häufig das einzige Lesefest.
So wie es vielerorts museumspädagogische Arbeit und junge Opern gibt, so gibt es in vielen Großstädten auch junge Literaturhäuser. Sie haben den Überblick über die relevanten und qualitativ hochwertigen Kinder- und Jugendbücher, organisieren Veranstaltungen, laden Schulklassen und Gruppen ein und pflegen den Kontakt mit lokal ansässigen AutorInnen, IllustratorInnen und ComickünstlerInnen, um mit attraktiven Angeboten die nächste Generation zu erreichen.
Nur einige Beispiele: Junges Literaturhaus Frankfurt
Junges Literaturhaus Rostock
Junges Literaturbüro – Literaturbüro Lüneburg e.V.
In Leipzig gibt es im Literaturhaus keinen funktionierenden Jugendarm. Nur sehr selten finden dort Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche statt. Das Junge Literaturhaus Leipzig e.V. ist ein Verein mit 7 Mitgliedern, der beim Kulturamt Projektanträge für jährlich ein bis zwei Jugendworkshops mit Schulklassen stellt, die in den letzten Jahren häufig nicht bewilligt wurden. Es arbeitet deshalb unterhalb der Wahrnehmungsschwelle und ist vielen völlig unbekannt.
Gerade das Beispiel Lüneburg zeigt gut, was sich erreichen lässt. Jährlich werden dort 42 Lesungen oder Workshops in Lüneburger Schulen angeboten, häufig Brennpunktschulen. Auf Leipzig hochgerechnet würde das bedeuten: ca. 250 Schullesungen pro Jahr in Leipzig, um die gleiche Versorgungsdichte pro SchülerIn zu erreichen wie Lüneburg.
Damit sich Bibliotheken fest im Bewusstsein der Einwohner verankern, ist kontinuierliche Arbeit notwendig. Die Ausleihzahlen korrelieren nachweislich auch mit dem Angebot an Veranstaltungen, so ist es beispielsweise in den Statistiken ablesbar, die die Dresdner Bibliotheken dazu seit Jahren führen. In anderen Städten sind Bibliotheken darum mit Mitteln ausgestattet, um regelmäßig Veranstaltungen durchzuführen. Autorenbegegnungen sind, besonders für Kinder und Jugendliche, ein wichtiger Baustein der Leseförderung.
In Leipzig haben die Stadtbibliotheken für Veranstaltungen ein beschämend niedriges Budget. Gäste von außerhalb werden daher so gut wie nie eingeladen. Die wenigen Lesungen, die es gibt, werden zudem zumeist aus Landesmitteln finanziert, beispielsweise über den sächsischen Literaturrat oder das Forum Bibliothek. Oder von den Verlagen finanziert über Leipzig liest.
Bei einem vergleichenden Blick in die Veranstaltungsprogramme der Bibliotheken von Leipzig und Dresden fällt auf: Die Anzahl der Veranstaltungen ist in etwa gleich, aber die Qualität und Zugkraft unterscheidet sich erheblich: während die Bibliotheken in Dresden zu Lesungen bekannter Autoren, Vorträgen und Diskussionen zu aktuellen Themen oder Jugendworkshops mit renommierten ComickünstlerInnen einladen, bestehen die Veranstaltungen an den Leipziger Bibliotheken ganz überwiegend aus dem Spielenachmittag mit der Bibliothekarin, der Vorlesestunde mit der ehrenamtlichen Lesepatin, dem Gesprächskreis für Senioren oder Angeboten eingemieteter Veranstalter wie der Schüleraustauschmesse. In Dresden gibt es solche Angebote auch, aber nicht ausschließlich. Die Städtischen Bibliotheken laden dort z.B. jährlich 8 KinderbuchautorInnen / Illustratorinnen zu jeweils mehreren Veranstaltungen in ihren Filialen ein.
Vergleich: Veranstaltungskalender der Dresdner und der Leipziger städtischen Bibliotheken
Dresden – Veranstaltungskalender Leipziger Städtische Bibliotheken
Die Entscheidung über die Höhe und Aufteilung des Budgets liegt beim Stadtrat.
Ein wichtiger Baustein der Leseförderung sind Schulbibliotheken. Jedes Kind könnte dort mit Büchern in Berührung kommen. Die Anmeldung in einer Stadtteilbibliothek ist hingegen für viele schon eine Hürde, gerade für Menschen, die selbst nicht mit Büchern aufgewachsen sind oder die Strafgebühren im Falle vertrudelter Medien fürchten.
An einigen Leipziger Schulen gibt es Schulbibliotheken (mit Ausleihe) oder Leseräume (ohne Ausleihe). Die Qualität und Einbindung dieser Bibliotheken in den Schulalltag ist jedoch sehr unterschiedlich.
Die Leipziger SchulbibliothekarInnen werden über den 2. Arbeitsmarkt rekrutiert, ihre Stellen sind jeweils kurz befristet. Die meisten sind fachfremd, einige desinteressiert. Einige arbeiten sich jedoch sehr engagiert ein und leisten hervorragende Arbeit. Dennoch müssen sie nach wenigen Jahren gehen, gerade wenn sie sich das Know-How erarbeitet und eine gut funktionierende Schulbibliothek aufgebaut haben. (Berichte dazu gab es auch in der LVZ). Eine kontinuierliche Arbeit der Leseförderung ist unter diesen Bedingungen in unserer Stadt leider sehr erschwert.
Autorenbegnungen kosten Geld. Neben den Veranstaltungshonoraren fallen Reise- und Übernachtungskosten an. Aber auch Honorare sind oft gestaffelt, bei mehreren Auftritten sinkt der Preis pro Veranstaltung. Veranstalter können sparen, indem sie mehrere Veranstaltungen an nahegelegenen Orten in der Region bündeln und eine Autorin gleich in mehreren Schulen oder Bibliotheksfilialen auftreten lassen. Hierzu braucht es eine zentrale Stelle, die solche Reisen plant und organisiert. Das bringt auch Entlastung in der Frage und Recherche “Wen überhaupt einladen?”. Organisatoren sind in anderen Städten oft Kulturämter oder die Zentrale der Stadtbibliothek, im ländlichen Raum oft sogenannte “Landesfachstellen für das öffentliche Bibliothekswesen”.
Beispiel: In Baden-Württemberg gibt es 4 solche Fachstellen, allein die Fachstelle Tübingen organisiert pro Jahr 20 Autorenlesereisen (zusätzlich zu weiteren Autoreneinladungen zum landesweiten Festival Fredericktag). www.rt.fachstelle.bib-bw.de
Sachsen ist neben seinen städtischen Zentren auch ein Flächenland. Es wäre sinnvoll, Autoren hier gebündelt auf Lesereisen durch verschiedene Orte zu schicken. Für die kleineren Bibliotheken wäre das eine Möglichkeit, überhaupt eine solche Veranstaltung anbieten zu können. In Sachsen finden jedoch keine solche Autorenlesereisen statt.
Eine Landesfachstelle für das öffentliche Bibliothekswesen gibt es auch in Sachsen. Sie berät und unterstützt die öffentlichen Bibliotheken und sichert so die gleichbleibende Qualität. Dort ist man sich bewusst, dass in anderen Fachstellen landesweite Lesefestivals oder Kinderbuchautorenreisen organisiert werden. Allerdings kann man das aufgrund der personellen Ausstattung an der sächsischen Fachstelle nicht leisten.
Der Friedrich-Bödecker-Kreis e.V. ist ein bundesweit aktiver Verein, der sich der Kinderliteraturvermittlung und Leseförderung widmet. Er ist in Landesverbänden organisiert, vermittelt und fördert regelmäßig Lesungen an Schulen, organisiert Schreibwerkstätten etc. In anderen Bundesländern werden die Bödeckerkreise institutionell gefördert. Der Verein ist eine wichtige Größe in der Literaturvermittlung.
Beispiel: Friedrich-Bödecker-Kreis in Sachsen-Anhalt e.V.
Auch mit Projekten wie den Schulschreibern Sachsen-Anhalt, feste jährliche Patenschaften zwischen AutorInnen und Schulen.
Projekte – Friedrich-Bödecker-Kreis in Sachsen-Anhalt e.V. (FBK)
In anderen Bundesländern werden die Bödeckerkreise institutionell gefördert – in Sachsen leider nicht. Hier gibt es nur kleine, ehrenamtliche Strukturen. Der Verein erhält nur wenige, jeweils projektbezogene Mittel vom Land und kann daher in Sachsen nur einige wenige Lesungen pro Jahr organisieren. Dadurch ist er an sächsischen Schulen und Bibliotheken weitgehend unbekannt. Schulschreiberprojekte gibt es hier nicht, Bödecker-Schreibwerkstätten sachsenweit jährlich im einstelligen Bereich, diese zudem finanziert aus Bundesmitteln über Kultur macht stark.
Damit Bibliotheken oder PädagogInnen AutorInnen/IllustratorInnen einladen können, benötigen sie eine niedrigschwellige Fördermöglichkeit / einen Zuschuss, denn oftmals haben gerade solche Kräfte schon mit dem Alltagsgeschäft alle Hände voll zu tun. Aufwendige Antragsverfahren beim Kulturamt sind für Lehrkräfte nicht zu bewältigen. In anderen Bundesländern haben sich (neben den Bödeckerkreisen) teils weitere Förderinstrumente gebildet, zum Beispiel sogenannte Autorenlesefonds.
Von Lesungen profitieren nicht nur die Zuhörer und Zuschauer, sondern auch die Autorinnen und Autoren. Honorare für Lesungen sind für sie ein wesentlicher Teil ihrer Einnahmen, denn Kinderbücher und insbesondere Jugendbücher haben viel geringere Auflagen als Bücher für Erwachsene und sind häufig teurer in der Herstellung. Viele Städte und Bundesländer möchten ihre Autoren fördern und unterstützen, zum Beispiel über sogenannte Autorenlesefonds.
Bsp: Der Berliner Autorenlesefonds finanziert jährlich 6 Lesungen pro Berliner KinderbuchautorIn an Berliner Schulen, AutorInnen und Schulen finden sich selbst ohne vermittelnde Instanz zusammen.
SchreibLand NRW finanziert Schreibwerkstätten von AutorInnen aus NRW in den dortigen öffentlichen Bibliotheken
Möchten pädagogische Einrichtungen auf eigene Initiative hin Kinderbuchveranstaltungen durchführen und benötigen hierfür Gelder, gibt es in Leipzig keine niedrigschwellige Möglichkeit, welche zu beantragen. Notwendig wäre hierfür ein Antrag beim Kulturamt. Das ist jedoch aufwändig und für Lehrkräfte im laufenden Betrieb nicht zu schaffen.
Förderantrag beim sächsischen Literaturrat
Der sächsische Literaturrat erhält halbjährlich projektbezogen Landesmittel zur Förderung von ca. 20 Lesungen in ganz Sachsen. Anträge stellen können Veranstalter wie Bibliotheken oder Schulen. Nur ein Teil der Lesungen entfällt auf den Bereich Kinder und Jugendbuch. Anträge aus Großstädten werden so gut wie nie bewilligt, um die Mittel in den noch schlechter ausgestatteten ländlichen Raum zu lenken. Bis Sommer 2025 fällt dieses Förderinstrument durch die Haushaltssperre zudem ganz aus.
Literaturforum Bibliothek Sachsen
In diesem Format, ausgerichtet vom Bibliotheksverband, gibt es jährlich ca. 70 Veranstaltungen von 20 sächsischen Autorinnen (für die insgesamt 390 öffentlichen Bibliotheken in ganz Sachsen). Aber nur ein kleiner Teil dieser Lesungen richtet sich an Kinder und Jugendliche. Für viele Bibliotheken, auch Leipziger Stadtbibliotheksfilialen, ist es die einzige Chance auf eine Veranstaltung.
Die beiden letztgenannten Möglichkeiten sind die einzigen (kleinen) Programme, die es hier landesweit gibt. Sie sollen die sächsischen AutorInnen unterstützen. AutorInnen von außerhalb können darüber nicht eingeladen werden.
In Leipzig gibt es zwar Angebote für Lesungen oder Schreibwerkstätten, beispielsweise vom Leipziger AutorInnennetzwerk KJL Leipzig oder dem Jungen Literaturinstitut – mangels passenden Förderinstumenten können sie bisher aber kaum genutzt werden. Die Leipziger Kinder- und JugendbuchautorInnen sind oft anderswo in Bibliotheken eingeladen, jedoch so gut wie nie in ihrer eigenen Stadt und wenn, dann nicht aus städtischen Mitteln finanziert.
Häufig gibt es die Vorstellung, Kinderleseförderung in den ehrenamtlichen Bereich zu delegieren. Auch andernorts spielen Ehrenamtliche eine Rolle in der Literaturvermittlung. Um die Qualität und Kontinuität ihrer Arbeit zu sichern, braucht es aber auch hier Unterstützung.
Der rege Leipziger Verein Leselust Leipzig e.V. rekrutiert und koordiniert auf rein ehrenamtlicher Basis viele Lesepatenschaften und schult die Lesepaten, denn mit der monoton vorlesenden Oma ist es gerade dort, wo es am Nötigsten ist, heute nicht mehr getan. Außerdem organisiert er das (ehrenamtliche) Vorlesefestival Leselust im August. Es fehlt dem Verein an Kapazitäten, um Gelder einzuwerben, z.B. für Schulungen seiner Paten und Veranstaltungen mit Autorinnen. Ehrenamtliche sind heutzutage zudem immer schwerer zu gewinnen. Frauen sind berufstätig, große Teile der Bevölkerung müssen viel arbeiten, um ihr Einkommen zu erwirtschaften.
Einige Kulturämter anderer Großstädte veranstalten selbst Kinderlesefestivals. Das Festival Käpt`n Book in Bonn und das Festival literaTurm (mit Kindersektion) in Frankfurt a.M. werden z.B. von Mitarbeitern der dortigen Kulturämter, das Festival Klik Kinderliteraturtage in Karlsruhe von einer temporären Honorarkraft im Auftrag des Kulturamts organisiert, also jeweils von Fachpersonal. Der Etat dafür wird beschlossen und freigehalten.
In Leipzig ist das Kulturamt selbst kein Akteur. Es verteilt Geld an Antragsteller. Es kann nur bewilligt werden, was aus der Bürgerschaft heraus beantragt wird. Diese Struktur hat den Nachteil, dass sie wiederum stark auf ehrenamtliches Engagement setzt, denn die Bürger haben meist einen Hauptberuf. Zudem besitzen sie wenig Antrags-Know-How. Sind sie kein e.V. oder andere Körperschaft, können sie kaum zusätzliche Stiftungsgelder akquirieren. Auch diese Struktur ist ein Grund dafür, dass einige Bereiche der Kultur von der Stadt dann letztlich wenig gefördert werden. Es stellt sich auch die Frage, ob sie zu einer gerechten Verteilung der Mittel führt. Im Moment führt sie dazu, dass Leipziger Bürger in ihrer Freizeit Veranstaltungen für die Leipziger öffentlichen Bibliotheken beantragen, organisieren, verwalten und abrechnen.
Viele Regionen möchten ihre AutorInnen in ihrer Arbeit unterstützen, sei es über Autorenlesefonds, Einladungen in Bibliotheken und Schulen, oder über Stipendien, wie z.B. das Kölner Stipendien für Kinder- und Jugendliteratur.
Solche Förderungen sind nicht nur eine große wirtschaftliche Hilfe, sondern drücken auch die Wertschätzung gegenüber dem Medium Kinderbuch, seinen Schöpfern und seiner jungen Leserschaft aus.
In der Buchstadt Leipzig gibt es keine spezifischen Unterstützungen für den Bereich Kinder- und Jugendbuch. Wo Kinderbuchschaffende nicht explizit in der Förderung bedacht und adressiert werden, haben sie gegenüber “den echten” Autor*innen für Erwachsene häufig das Nachsehen. Nur wenige Städte küren Kinderbuchautor*innen zum Stadtschreiber, und auch unter den Stipendiat*innen der Stadt Leipzig für den Bereich Literatur war 2024 keine Kinder- und Jugendbuchautor*in.
In jeder Region in Deutschland hat sich die eine oder andere Struktur der Leseförderung herausgebildet, ist über Jahre gewachsen und im Bewusstsein der Bevölkerung verankert. Unsere Stadt und Region ist hier leider schlecht aufgestellt. Die “Buchstadt Leipzig” ist ein trauriges, wenn nicht sogar DAS Schlusslicht in puncto Leseförderung / Kinder- und Jugendliteraturvermittlung unter allen vergleichbaren Großstädten Deutschlands. Keine der bewährten Lesefördermaßnahmen wird hier angewendet. Der überwiegende Teil der Leipziger Kinder und Jugendlichen erlebt nie eine Lesung.
In Leipzig gibt es Angebote und Potenzial. Es fehlt allerdings eine zentrale Stelle, die Kinderliteraturveranstaltungen organisiert, Akteure einlädt, Kontakt zu PädagogInnen, Bibliotheken und Schulen hält und so für alle jungen Einwohner einen attraktiven Zugang zu Kinder- und Jugendliteratur schafft.
Die Initiative Junges Literaturbüro (Verein in Gründung) möchte diese Lücke schließen. Sie möchte das Kinder- und Jugendbuch und seine SchöpferInnen in der Stadt sichtbarer machen und stärken, Kinderbuchschaffende von anderswo einladen und die hiesigen Akteure vernetzen und beantragt seit Frühling 2024 Gelder für Veranstaltungen rund um Kinder- und Jugendbuch in Leipzig. Sie möchte erreichen, dass (nach Lüneburger Vorbild) Schritt für Schritt eine Stelle geschaffen wird, zunächst freiberuflich, später auf Angestelltenbasis, möglicherweise zum Teil von der Stadt, zum Teil vom Land finanziert, angedockt z.B. bei der Landesfachstelle für das Bibliothekswesen. Sie könnte Autorenlesereisen für die Region organisieren und Lesungen und Schreibwerkstätten an Schulen und Bibliotheken in Leipzig vermitteln. Diese Kulturvermittlerstelle hätte, wie in Lüneburg, die Kapazität, zusätzliche Stiftungsgelder einzuwerben, denn viele Stiftungen sind bereit, Geld für die Leseförderung zu geben, aber die Antragstellung braucht Zeit und Know How. Nebenbei und im Ehrenamt ist das nicht zu schaffen. Für unsere Stadt und Region wäre es klug, hier an die nachwachsenden Generationen zu denken und den Boden dafür zu bereiten, dass die schlummernden Schätze gehoben werden können. Damit auch in Zukunft gelesen wird.
Cupid in Flight
48” x 48” Giclee print on archival paper.
Cupid in Flight
48” x 48” Giclee print on archival paper.